In der Presse #8

Ultimatum an Böhmer

03. Dezember 2004

Halle: Liberale Gemeinde droht Ministerpräsidenten

Im Streit mit dem Landesverband Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt um die Verteilung von Staatsgeldern hat die liberale Synagogengemeinde in Halle jetzt Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) um Unterstützung ersucht. In einem Brief vom Sonntag appelliert der Vorsitzende Karl Sommer an Böhmer, den "Versäumnissen" in dieser Frage "jetzt ein sofortiges Ende" zu bereiten. Andernfalls werde die Synagogengemeinde eine Strafanzeige gegen die Landesregierung erwägen. Im Zentrum der Kritik steht das Kultusministerium. Bereits Anfang 2004 habe Minister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) zugesagt, den Landesverband zu veranlassen, Staatsleistungen an die Synagogengemeinde weiterzugeben. Der Verband halte sich jedoch nicht an diese Vorgabe, und Olbertz habe "die Sache offensichtlich vergessen", schreibt Sommer.

Der Zweite Senat des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg (OVG) hatte mit Urteil vom 11. November 2004 der Hallenser Gemeinde einen Anspruch auf staatliche Förderung im Rahmen der Zuschüsse an die Landesgemeinde zuerkannt und darauf verwiesen, das sie mit der Aufnahme in die Union progressiver Juden Anerkennung in der jüdischen Gemeinschaft gefunden habe. Das Gericht stützte sich dabei auf das Bundesverwaltungsgericht, das Anfang 2002 staatlichen Richtern zugestanden hatte, über die Zugehörigkeit einer Gemeinde zu einer Religionsgemeinschaft zu entscheiden (BVerwG 7 C 7.01).

Der Landesverband hatte dagegen betont, dass die bloße Existenz einer Gemeinde als Verein für die Berücksichtigung bei den Staatszuschüssen nicht ausreiche. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte Ende 2004 eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. Mit der Prüfung der Frage, ob eine Gemeinde auch jüdisch sei, habe das Gericht seine Kompetenzen überschritten und in religionsrechtliche Frage eingegriffen, hatte Zentralratspräsident Paul Spiegel betont. Der Zentralrat wolle daher das Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit prüfen lassen.

Dem Magdeburger Kultusministerium zufolge erhielt der Landesverband 2004 insgesamt gut eine Million Euro Staatsgelder. Ihrem Vorsitzenden Karl Sommer zufolge hat die Hallenser Gemeinde nach dem Urteil noch kein Geld vom Landesverband erhalten. Es seien monatliche Raten von etwa zwanzigtausend Euro fällig, sagte Sommer. Die Forderung des Verbandes, als Voraussetzung für eine Zahlung eine aktuelle Satzung und eine Mitgliederliste vorzulegen, lehne er weiter ab.

Der Landesverband ist Mitglied des Zentralrats, die 1996 gegründete liberale Gemeinde in Halle gehört der Union progressiver Juden an. epd/ja

Quelle:
Jüdische Allgemeine Nr5/05, 03.02.2005

 

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