In der Presse #24

Entgegenkommen,
aber Synagogengemeinde droht
mit Kontensperre

08. Oktober 2005

Von Michael Bock

Magdeburg. Der Streit um Zuschüsse für die jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt geht in die nächste Runde. Max Privorozki aus Halle, Mitglied im Vorstand des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden, nannte das Vorgehen der Landesregierung, staatliche Gelder erstmals direkt an eine jüdische Gemeinde zu zahlen, „ein bisschen übertrieben“.

Das Land hatte der liberalen Synagogengemeinde in Halle Anfang dieses Monats 7500 Euro überwiesen und 12 500 Euro auf ein Treuhandkonto gezahlt. Zugleich kürzte das Land die Zuschüsse an den Landesverband um dieselben Beträge. Auf dem Treuhandkonto soll eine Rücklage gebildet werden, bis aufgelaufene Ansprüche der Synagogengemeinde geklärt sind. Diese pocht auf die Nachzahlung von rund zwei Millionen Euro.

Der Landesverband der jüdischen Gemeinden forderte eine Korrektur der neuen Auszahlungspraxis. „Die Regierung muss ihre Entscheidung rückgängig machen“, sagte Privorozki. Seinen Angaben zufolge widerspricht der Beschluss des Kultusministeriums dem Staatsvertrag des Landes mit der jüdischen Gemeinschaft. Danach sind Zuschüsse an den Landesverband und nicht direkt an Gemeinden zu zahlen.

Hintergrund ist eine seit Jahren schwelende Auseinandersetzung zwischen der 1996 gegründeten liberalen Synagogengemeinde Halle und dem orthodox geprägten Landesverband. Der Landesverband sperrte sich bislang, die Synagogengemeinde an den staatlichen Zuschüssen (rund eine Million Euro jährlich) zu beteiligen. Die Synagogengemeinde hatte im Juli dieses Jahres letztinstanzlich einen jahrelangen Rechtsstreit gewonnen.

Doch der Landesverband schaltete weiter auf stur. Stefan Kramer vom Zentralrat der Juden versuchte monatelang zu vermitteln – vergeblich. Wie Kramer kritisierte danach auch das Kultusministerium die „Blockadehaltung“ des Landesverbandes und entsprach der Forderung des Zentralrats, „bis auf weiteres“ Gelder direkt an die Synagogengemeinde auszuzahlen.

„Es handelt sich um eine Übergangsregelung“, stellte Kultusstaatssekretär Winfried Willems gestern klar. „Wir wollen der Synagogengemeinde zu ihrem Recht verhelfen. Wir haben zu diesem Mittel greifen müssen, weil sich der Landesverband bislang weigert, zu einer Vereinbarung mit der Synagogengemeinde zu kommen.“

Privorozki ließ gestern Entgegenkommen erkennen. Der Landesverband sei durchaus bereit, der Synagogengemeinde künftig 7500 Euro im Monat zu zahlen. Dafür seien aber einige Voraussetzungen zu erfüllen. So dürften Mitglieder der Synagogengemeinde nicht gleichzeitig einer anderen Gemeinde angehören oder außerhalb von Sachsen-Anhalt wohnen. Die von der Synagogengemeinde geforderte Nachzahlung von etwa zwei Millionen Euro nannte er „sehr fragwürdig“. Darüber müsse verhandelt werden.

Karl Sommer, Vorsitzender der Synagogengemeinde, hält die jetzt vom Land veranlassten Auszahlungen für unzureichend. „So kann man uns nicht abspeisen.“ Er beharrt auf zehn Prozent der Landesgelder, also rund 100 000 Euro jährlich. Dazu komme die Millionen-Nachforderung. Sommer drohte damit, die Konten des Landesverbandes sperren zu lassen.

Quelle:
Volksstimme Magdeburg, 8. Oktober 2005


 

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